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Hallo, 
angehängt was für eure schöne WEB.
Viel Spass beim Lesen….
LG Jürgen Fock

Als Maschinenschlosserlehrling auf der DEUTSCHEN WERFT 

in Hamburg-Finkenwerder

beim Bau des Passagierschiffes ”Hamburg”

 

In der Zeit von April 1965 bis September 1968 habe ich meine Lehre als Maschinenschlosser auf der DEUTSCHEN WERFT in Hamburg-Finkenwerder gemacht. Eines der Schiffe auf dem ich beim Neubau mitgearbeitet habe war die TS“Hamburg“ die jetzige „Maxim Gorki. Aus irgendwelchen selbst mir nicht klaren Gründen habe ich die „Hamburg“ mehr als „Maxim Gorki“ im Gedächnis als unter dem Originalnamen. Habe keine richtige Erklärung dafür.

Vielleicht liegt es daran das ich das Schiff dutzende von Malen in den verschiedensten Häfen weltweit als „Maxim Gorki“ gesehen habe. Von Hamburg bis Santos , von Palma de Mallorca bis in der Karibik bin ich ihr begegnet. Immer fielen mir dann unsere Fundamentbolzenlöcher ein. Dazu die vielen Berichte in der Presse. Es war schon so etwas wie ein Kultdampfer. Das die „Hamburg“ noch mal zwischenzeitlich in „Hanseatic“ umbenannt wurde war für mich immer völlig unbedeutend. Reine Marketing Angelegenheit würde man heute sagen. Hat den Verkauf nach Russland nur herausgezögert. Verhindern konnte die Umbenennung den Verkauf nicht.

Die einzige echte „Hanseatic“ war die erste, aus England angekaufte „Empress of Japan". Dann gab es noch mal einen Hochseeschlepper der Reederei Petersen & Alpers der auf „Hanseatic“ umgetauft wurde. Das war nun aber ein völlig glanzloses Schiff. Es muss zum Ende des dritten Lehrjahres gewesen sein, irgendwann im Frühjahr 1968, als ich für 2 Monate in die Abteilung Bordmontage, es hiess glaube ich „Gewerk, Bordmontage Neubau Kolonne Hauptmaschine“, versetzt wurde. Die Maschinenschlosserlehrlinge auf den grossen Werften wurden regelmässig in verschiedene Gewerke versetzt um möglichst vielseitig ausgebildet zu werden. Eines der interessantesten Abteilungen war dabei die Bordmontage Neubau. Dieses Gewerk wurde unterteilt in Hauptmaschinen und Hilfsbetrieb. Es gab eine Hauptmaschinen und zwei Hilfsbetrieb Kolonnen. Jede Kolonne hatte einen Meister, Vorarbeiter, einen Kolonnenschieber, eine Art 2ter Vorarbeiter, und etwa 8 Gesellen. Dazu ein paar Lehrlinge die im 4 bis 8 Wochen Rhythmus ausgetauscht wurden.

Das Büro und die Werkstätten befanden sich am Ausrüstungskai, ziemlich dicht an dem markanten grossen Drehkran der DW. Dort ganz in der Nähe war die „Hamburg“ gleich nach ihrem Stapellauf im Ende Februar 1968 hinverholt worden. Von unserer Werkstatt bis in den Maschinenraum an Bord der „Hamburg“ mussten wir dann knapp 10´ zu Fuss gehen. Wir gingen damals über einen Zugang an der Stb. Seite achtern ins Schiff und von dort an etlichen Crewkabinen vorbei bis hinunter in den unteren Teil des Maschineraumes dort wo die Hauptantriebsanlagen installiert waren. Die „Hamburg“ wurde von 2 AEG Dampfturbinen angetrieben. Der Dampf kam aus 3 Hochdruckkesseln die auf der DW in der Kesselschmiede hergestellt wurden. Während meiner Lehrzeit war ich einen Monat in der Kesselschmiede versetzt gewesen. Dort konnte ich dann den Bau der Kessel teilweise mitverfolgen. Wenn ich recht erinnere war das Herausheben der Kessel aus der Kesselschmiede auf den Kai ein Job an der Grenze der Tragfähigkeit der Laufkräne. Vom Kaiplatz vor der Kesselschmiede wurden die Kessel dann mit einem Schwimmkran zur „Hamburg“ gebracht und in den Rumpf gesetzt.

Jetzt aber zurück zu meiner Zeit an Bord der „Hamburg“
Ich wurde damals 2 Gesellen zugeteilt die die Löcher für die Fundamentbolzen des Getriebes des Stb. Hauptantriebes bohren mussten. Das Getriebe war von „De Schelde“ in Vlissingen hergestellt. Es wurde schon ziemlich zu Anfang des Baues, noch auf dem Helgen, provisorisch installiert. Wenn die Decks eingebaut waren hätte man es nicht mehr hinein bekommen in den Rumpf. Man muss sich das Getriebe, ein reines Untersetzungsgetriebe ohne irgendeine Schaltfunktion, als einen grossen, schweren Stahlkasten mit etlichen Ein & Ausbuchtungen vorstellen. Am vorderen Ende ist die kleine Hochdruckturbine und die grössere Niederdruckturbine angeflanscht. Am hinteren Ende kommt der Wellenzapfen heraus wo die Propellerwelle angeflanscht ist. Ganz vereinfacht erklärt. Beim Getriebe der „Hamburg“ waren die Abmessungen ca. 5 x 5 m und etwa 3m hoch. Alle Masse sind aus der Erinnerung und es mag etwas abweichen. Jahre später bin ich als 3er Ing. auf einem 240.000tdw Turbinentanker gefahren. Da war das Getriebe dann noch etliche Nummgrösser als auf der „Hamburg“.

Da die „Hamburg“ ein 2 Schraubenschiff ist, gab es folglich zwei identische Getriebe im Maschinenraum. Jedes Getriebe mit seiner entsprechenden Drehrichtung. Diese Getriebe mussten natürlich absolut fest mit dem Rumpf verbunden sein. Das Getriebe steht auf einem Fundament aus etlichen Spanten, Stahlträgern, Winkeln und Blechen welches mit dem Rumpf verschweisst ist bzw Teil des Ganzen ist. Die Verbindung Fundament zum Getriebe wird dann mit eingepassten Stahlbolzen hergestellt. In unserem Falle war der Durchmesser der Bolzen etwa 80mm. Die Länge variierte von vielleicht 150mm bis 300mm. Wenn ich mich recht erinnere gab es an jedem Getriebe etwa 160 Bolzen. Die Löcher für diese Bolzen wurden mit Pressluftbohrmaschinen gebohrt. Pressluft wurde über lange Gummischläuche von Land her auf die Neubauschiffe geführt. Überall an Bord gab es Verteilerstücke an die der Geselle seine Bohrmaschinen anschliessen konnte. Diese Bohrmaschinen waren schwer. Richtig schwer. Manche konnte man nur zu zweit tragen. Den Lärm den 
diese Maschinen entwickelte war gewöhnungsbedürftig. Gewöhnen konnte man sich eigentlich nicht daran. Gehörschutz gab es nicht. Ein bisschen Watte in den Ohren vielleicht... 

Viele ältere Gesellen waren schwerhörig. Kein Wunder. Zum Krach des Luftmotors kam noch das metallische Kreischen wenn der Bohrer hakte. Und das kam häufig vor. Man sass direkt an der Bohrmaschine um mit einer Hand den Hebel des Luftventils offen zu halten. Manchmal lag man auch unterhalb der Bohrmaschine. Der Bohrer musste natürlich mit Bohrmilch geschmiert werden. Sonst wäre der Bohrer in kurzer Zeit heissgelaufen und ausgeglüht. Diese Bohrmilch, wir nannten sie Bohrmilch weil sie eine weisse Farbe hatte. Die richtige Bezeichnung wäre wohl Bohröl. Es war letztlich ein mit Wasser vermischtes Öl. Die Bohrmilch spritzte natürlich mit der schnellen Drehung des Bohrers in der Gegend herum.

Zu dem Luftantrieb gibt es noch zu sagen, dass, bedingt durch die langen Schläuche vom Land an Bord, sich etliches an Feuchtigkeit, Wasser, ansammelte. Dieses Wasser musste natürlich irgendwie wieder heraus aus der Bohrmaschine. Das geschah über das selbe Loch wo auch die Luft herauskam. Besonders nach dem Wochenende wenn nicht gearbeitet wurde und folglich kein Luftverbrauch war, kam soviel Wasser durch die Schläuche, dass man die ersten Stunden kaum richtig arbeiten konnte. Die Bohrmaschine soff einfach ab. War es denn noch sehr kalt kamen auch manchmal Eisstücke aus der Bohrmaschine herausgeschossen. Man hatte schon seine Last mit diesen Maschinen. Diese Maschinen konnten natürlich nicht mehr von Hand gehalten werden. Sie wurden in Position gebracht an der Stelle wo ein Loch gebohrt werden sollte. Am oberen Ende hatten die Bohrmaschinen eine Spindel mit Spitze die man an einer gegenüber liegenden Stahlwand fest fixierte. Oft musste man mit Schraubzwingen die Bohrmaschinen nachfixieren um Verdrehungen zu 
vermeiden.

Natürlich konnte man das Loch nicht gleich beim ersten Bohrgang auf den vollen Durchmesser bohren. In mehreren Schritten wurde mit kleineren Bohrern vorgebohrt. Zum Abschluss wurde ein Feinbohrgang mit einem Bohrreiber durchgeführt. Ein langer Prozess!

Unsere Frühstückspause machten wir an Bord. Man setzte sich irgendwo an Bord hin und hatte eine Viertelstunde Zeit sein Brot zu essen und Kaffee zu trinken. Das Brot natürlich Doppeldecker. Schwarzbrot und Weissbrot gemischt. Die Seite mit dem Schwarzbrot immer nach oben halten. Auf dem Weissbrot sah man nämlich die schwarzen Fingerabdrücke.... Alles schön von Mutter geschmiert und eingepackt. Homemade und nichts direkt abgepackt beim Bäcker gekauft oder vom Take away shop.

Meine beiden Gesellen kamen aus Finkenwerder. An ihre Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Beide waren noch etwas jünger. Einer hatte vor seiner Zeit auf der Werft auf einem Fischkutter gefahren. Beide harte Typen. Als Lehrling wurde man einfach so eingeklinkt. Auch nach Wochenlanger gemeinsamer Arbeit kannten etliche der Gesellen oft nicht unsere Vornamen. Jung´ war meistens die Anrede. Wir nannten unsere Gesellen unter uns oft „Maat“. Natürlich ausser Hörweite des Gesellen. Ordentlich anpacken mussten wir 3 zusammen. Keiner wurde geschont bei der Plackerei. Es war ein Knochenjob und jeder wurde gebraucht. Das schweisste auch zusammen. Trotzdem blieb die Beziehung Geselle - Lehrling meist auf „Siez“ Niveau.

Zum Ausrichten der beiden Getriebe war extra ein Monteur vom Hersteller „de Schelde“ aus Holland an Bord. Er hiess Anton. Einen der wenigen Namen an die ich mich noch erinnern kann. Anton war ein richtiges Original und munterte uns auf bzw. unterhielt uns mit seinen Erzählungen aus seinem Monteurleben. Er wohnte in einem Hotel auf Finkenwerder. Einmal fragte Anton einen von den Finkenwerder Gesellen nach dem Fahrplan der Fähren von Finkenwerder nach den Hamburger Landungsbrücken. Wir sagten damals Finkenwerder Dampfer und nicht Fähre. Auch wenn´s schon keine Dampfer mehr gab Mitte der 60er Jahre. Der Geselle meinte die letzte Fähre fährt gegen Mitternacht von den Landungsbrücken los. Gegenfrage von Anton war: Und die erste Morgens? 

Anton kletterte die meiste Zeit zwischen den Getrieben hin und her. Gab seine Ratschläge. Die, wenn er ausser Hörweite war, von meinen Gesellen gleich kommentiert wurde. Die Kommentare schwankten zwischen „recht hat er“, „Bescheid weiss er“ und „ das soll er man seinen Holländern erzählen“. Das Ausrichten der Getriebe wurde mit zwei grossen Stahlliniealen vorgenommen. Diese wurden auf dickwandigen Stahlrohren kreuzweise über das Getriebe gestellt. Die Stahlrohre wurden auf vom Werk vorgefertigten Löcher an den äusseren Ecken verschraubt. Mit langen Mikrometerschrauben wurde dann der Abstand von den Linealen an verschiedenen Punkten des Getriebes gemessen. Alles unter Antons Aufsicht. Nach seinen Anweisungen wurden dann die Passstücke am Fundament nachgearbeitet. Ein endloser Job. Alles per Feile und Schaber!

Wenn jemand unter uns Lesern ist, der diese Ausrichtmethode kennt und meint das es nicht so gewesen sein kann, lasse ich mich gerne berichtigen. So ist es aber in meiner Erinnerung als Lehrling im dritten Lahrjahr hängen geblieben. Manche Passstücke waren an Stellen wo nur ich als schmaler Lehrling hinpasste und auch nur ohne Schutzhelm.

Nach Ende meiner Zeit in der Kolonne Neubau Hauptmaschine kam ich in die Blechschlosserei. Auf der DW auch kleine Schlosserei genannt. Dort habe ich mit einem älteren Gesellen die Leckwannen unter den Kesselbrennern der „Hamburg“ fabriziert und eingebaut. Doch das ist eine andere Geschichte. 

Die „Maxim Gorki“ ex „Hanseatic“ ex „Hamburg“ ist nun längst unter indischen Schweissbrennern verschwunden! Welche armen indischen Werftarbeiter haben wohl das mächtige de Schelde Getriebe demontiert und sich mit unseren Fundamentbolzen abgequält? Hatten sie es am Ende leichter als wir ... ? 

Während ich diesen Artikel zu Ende schrieb fiel mir ein dass ich schon im ersten Lehrjahr für die „Hamburg“ gearbeitet habe. Wir haben mit mehreren Lehrlingen eine Art Modell einer Ausbootungsvorrichtung gebaut. Diese sollte aus dem Rumpf herausgeklappt werden und zum Übersteigen der Passagiere auf die Tender dienen. Ich kann mich aber nicht erinnnern ob diese Vorrichtung jemals für die „Hamburg“ gebaut und installiert worden ist. Als ich vor einigen Jahren einmal auf einem Kreuzfahrtschiff als Passagier mitgefahren bin gab es dort so eine Art ausklappbare Plattform zum Übersteigen vom Schiff in die Tender.

Jürgen Fock
Cas Catalá Nou/Mallorca
Sommer 2011

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aktualisiert am: 11.12.18

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